Bei Regen schnell, bei Hitze ebenfalls
Lange hat's gedauert, bis die deutschen "Klassik 83"-Piloten heuer erstmals um Triumphe beziehungsweise wichtige Meisterschaftspunkte fighten durften.
Das Coronavirus machte eben auch vor den Motorradrennfahrern nicht Halt. Aber vor Kurzem endete nun die Zwangspause - und siehe da: Werner Müller aus Klingsmoos zeigte in Oschersleben gleich mal, dass der Gesamtsieg in der "BMW Boxer Trophy 2020" nur über ihn führen wird. Seine herausragende Ausbeute in Sachsen-Anhalt, rund 35 Kilometer südwestlich von Magdeburg entfernt: Rang eins in Lauf eins, Rang eins in Lauf zwei. Nein, besser hätte es für den 67-Jährigen definitiv nicht laufen können.
"Es hat in der Tat eine Menge Spaß gemacht", verrät Müller mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Was seine beiden Erfolge umso wertvoller machte: Der Routinier fuhr sie bei komplett verschiedenen Bedingungen ein. Rennen eins etwa fand bei unangenehmem Regen und einer dementsprechend glitschigen Strecke statt - was prompt dazu führte, dass von den 42 Piloten, die sich ursprünglich für die komplette "Klassik 83"-Konkurrenz angemeldet hatten, nur 18 an den Start gingen. "Bei Nässe muss man eben mit besonders viel Gefühl fahren können - beziehungsweise viel Herzblut mitbringen", verrät Müller.
Dass er das kann: Die neun Runden von Rennen Nummer eins in Oschersleben bewiesen das auf beeindruckende Weise. Dabei hatten die Tage in Sachsen-Anhalt nicht wirklich nach Wunsch für den Klingsmooser begonnen - denn beim ersten Zeittraining war für ihn bereits nach zwei Runden Schluss gewesen. "Der Vergaser links ist übergelaufen und der Motor hatte dadurch Zündaussetzer", berichtet Müller. Seine sonst so treue BMW R100 RS aus dem Jahr 1978, mit der er schon 2019 immer wieder für Furore gesorgt hatte und die für die Wettkampfsaison 2020 nun "nur ein bisschen aufgehübscht" wurde - sie wird ihn doch nicht plötzlich im Stich lassen?
Sie tat es selbstverständlich nicht - obwohl es im zweiten und im abschließenden dritten Zeittraining ebenfalls noch nicht optimal für den 67-Jährigen lief. Nur das lag nicht an der Maschine an sich - "sondern daran, dass ich öfter mal Speed rausnehmen musste, um langsamere Fahrer nicht zu gefährden". Die Konsequenz daraus: Für Müller ging's dann vom neunten Startplatz aus ins erste Rennen der "Börde Klassik 2020" - beziehungsweise als Zweitbester seiner "BMW Boxer Trophy"-Klasse. Schneller als der Mann aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen war lediglich der Niederländer Marc Beltman - der aber als Gastfahrer am Ende sowieso nicht in die Meisterschaftswertung eingehen würde.
Also rein ins erste Race - eben bei Regen. Während die mei-sten Piloten noch mühevoll versuchten, sich an die Strecke zu gewöhnen, hatte Müller bereits mächtig Gas gegeben - und sich vom neunten auf den zweiten Rang vorgearbeitet. "Da habe ich tatsächlich gleich wieder einige jüngere Kerle hinter mir gelassen", berichtet der Klingsmooser lächelnd - und durchaus stolz. Wobei: Ältere als ihn gibt es heuer in der "Klassik 83"-Konkurrenz sowieso nicht, Müller ist 2020 quasi der Methusalem im Feld - meist sogar mit deutlichem Abstand. Der 67-Jährige überlegt: "Na ja - einen Österreicher gibt es schon noch, der ist nur ein halbes Jahr jünger als ich. Außerdem sieht er rund zehn Jahre älter aus. "
Und schon grinst er wieder über das ganze Gesicht. Ihm macht sein Sport eine Menge Spaß. Motorräder sind eben sein Leben. Bereits früher, als "Bikehändler" in Schrobenhausen, war das so - und jetzt, im "Rentnerdasein", ist es erst recht so. "Motorräder selbst aufzubauen, Teile für sie selbst zu entwickeln, das war schon immer eine tolle Spielwiese für mich", erzählt Müller. Genauso, wie dann selbst im Sattel zu sitzen und Gas zu geben.
Zurück ins erste Rennen der "Börde Klassik 2020": Platz zwei konnte der Klingmooser dort zwar nicht bis zur Zielflagge halten - leistungsmäßig zu überlegen waren zwei weitere Bikes aus den anderen Klassen - aber Position vier im Endklassement war trotzdem eine Superausbeute für ihn. Und was nicht minder wichtig war: Für die Wertung der "BMW Boxer Trophy" 2020 holte Müller sogar die optimale Punktezahl, denn außer dem bereits erwähnten Gastfahrer aus den Niederlanden landete hier niemand vor ihm. Der Auftakt nach Maß für den 67-Jährigen war also perfekt.
Und es kam noch besser, denn im zweiten Rennen wiederholte sich das Ganze: Beltman, bester Pilot im Rahmen der "BMW Boxer Trophy", direkt vor Müller - aber da der Mann aus Holland eben erneut außer Konkurrenz fuhr, hatte der Klingsmooser plötzlich 50 Punkte nach zwei Läufen auf dem Konto. Mehr ging nicht.
Das zweite Rennen an sich fand übrigens, wie anfangs schon erwähnt, bei komplett anderen Bedingungen statt als das erste. So war die Strecke nun völlig trocken, und die Piloten mussten zudem mit Außentemperaturen um die 32 Grad Celsius fertig werden. Bei Müller persönlich klappte diesmal der Start nicht wirklich, lange Zeit befand er sich deshalb nur auf Position 13 im Gesamtklassement - um in der letzten Runde plötzlich doch noch drei Konkurrenten zu überholen. Mit anderen Worten: Es klappte doch noch erneut mit einer Top-Ten-Platzierung - quasi als tolles Sahnehäubchen auf die Optimalausbeute von 50 Punkten in der "BMW Boxer Trophy"-Wertung.
Die ersten zwei Rennen im Kalenderjahr 2020 sind also jetzt Geschichte. Insgesamt acht stehen heuer auf dem Programm, wobei die weiteren sechs in Tschechien, auf dem Lausitzring sowie in Italien ausgetragen werden. Und Müller wird sie übrigens weiterhin mit der "28" bestreiten dürfen - seiner Lieblingsstartnummer, die er nun endlich wieder auf seiner BMW hat. "Im Vorjahr musste ich noch mit der 128 unterwegs sein", berichtet der Mann aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen: "Gott sei Dank hat sich das jetzt geändert. " Und was lernen wir daraus: Müller kann nicht nur schnell sowie geschickt bei allen Bedingungen absolute Spitzenpositionen einfahren. Er ist zudem ein gutes Stück abergläubisch.